Seit 2017 bietet maternita gemeinsam mit der Hebamme Jana vom Hebammenblog einen Geburtsvorbereitungskurs speziell für werdende Zwillings- und Mehrlingseltern an. Die Idee, kam mir Inga, bereits vor einigen Jahren, da viele werdende Mehrlingseltern mich fragten ob es überhaupt Sinn mache einen „normalen“ Geburtsvorbereitungskurs zu besuchen. Oder sie berichteten, dass sie sich in diesen Kursen als einzige Mehrlingsschwangere völlig fehl am Platz fühlten, über ihre Möglichkeiten und speziellen Fragestellungen nicht gesprochen wurde und somit mit mehr Fragen als Antworten aus dem Kurs gingen.

Doch was unterscheidet aus unserer Sicht einen Zwillingsgeburtsvorbereitungskurs von einem gängigen Geburtsvorbereitungskurs (die man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren kann, was uns fernliegt)?

Wirklich elementar und so wichtig sind für uns folgende Aspekt:

Mut zusprechen

Ganz unabhängig von den Themen,  ist unserer Erfahrung nach die positive Bestärkung der werdenden Eltern ungemein wichtig. Eine Mehrlingsschwangerschaft und auch das Mehrlingselternsein ist eine spezielle Situation, mit hohen Herausforderungen gerade wenn die Kinder noch sehr klein sind. Umso wichtiger ist es, dass die Eltern mit Zuversicht  auf die Herausforderungen im  Leben mit Mehrlingen blicken können  und nicht durch Wenn und Aber verunsichert werden.

Dogmen auflösen

Natürliche Geburt ja oder nein, Stillen ja oder nein, Schnuller ja oder nein, Tragen ja oder nein, Familienbett ja oder nein, wir finden wichtig die werdenden Zwillingseltern dahingehend zu bestärken, dass es nicht den vermeintlich richtigen und einzigen Weg gibt, sondern nur ihren ganz persönlichen. Für welchen Weg sie sich auch immer entscheiden mögen, sie sind für ihre Kinder die besten Eltern der Welt und geben was sie geben können.

Gerade die ersten Wochen, oder ehrlicherweise Monate, können sehr kräftezehrend sein. Umso wichtiger, ist es, dass die Eltern die Möglichkeiten für sich nutzen, die auch Ihnen gut tun. Denn die Kinder brauchen gesunde Eltern. Der Rest wird sich aus dem Charakter der Kinder, dem Start ins Leben und der jeweiligen Familiensituation ergeben. Dogmen sind hier fehl am Platz und in keiner Form hilfreich.

Druck rausnehmen

Nichts muss, vieles kann!  Eine elementare Aussage, die wir nicht oft genug äußern können. Wir finden wichtig, den  Eltern alle Möglichkeiten aufzuzeigen.

Nehmen wir das Beispiel Babyernährung: Die Eltern wünschen sich die Zwillinge gleichzeitig zu stillen. Aus diversen Gründen kann z.B ein Kind zu Beginn nicht effektiv  stillen, kein Grund zu verzagen und auch nicht den Wunsch aus dem Auge zu verlieren. Stattdessen die Situation versuchen anzunehmen und z.B. (vorübergehend) einen Zwilling weiter zu stillen und den anderen zu füttern z.B. mit der Fingerfeedingvariante oder mit einem Brusternährungsset, so dass eine Art Saugtraining stattfindet. Dann können immer wieder Versuche des Anlegens stattfinden und vielleicht klappt es nach einiger Zeit.

Vielleicht jedoch auch nicht. Und das ist ok!

Das Kind kann trotzdem Muttermilch durch Abpumpen bekommen, aber auch die Entscheidung es mit der Flasche zu füttern ist vollkommen in Ordnung. Am hilfreichsten ist es aus unserer Sicht flexibel auf die sich entwickelnden Situationen zuzugehen, den Druck rauszunehmen, die eigenen Vorstellungen ggf. zu korrigieren. Es ist kein Versagen, es ist ein anderer Weg und wie sagt man sprichwörtlich? Viele Wege führen nach Rom. Wenn Eltern dies für sich annehmen können, kann dies viel Druck nehmen.

Bestärkung der freien Entscheidungen

Wir hören von den TeilnehmerInnen so viele Behauptungen wie:  „Zwillinge kann man nicht stillen“, „Zwillinge kann man nicht tragen“, „Zwillinge müssen synchronisiert werden“, etc.  die jeder Grundlage entbehren.

Leider werden nicht selten von Akteuren rund um die Schwangerschaft, von Gynäkologen über Hebammen, Kinderärzten, anderen Eltern, den eigenen Eltern, Freunden und Bekannten, vermeintliche Tatsachen vermittelt, die die werdenden Eltern verunsichern. Doch wenn wir mal ehrlich sind, gibt es oft keinerlei wissenschaftliche Hintergründe, alles basiert auf den jeweiligen Erfahrungen.

Daher ist es wichtig die werdenden Zwillings- und Mehrlingseltern in ihren freien Entscheidungen zu bestärken. Was für den einen richtig ist, ist für den anderen falsch. Was vor 10 Jahren empfohlen wurde, heute ggf. nicht mehr gängig oder empfehlenswert. Wir als Eltern dürfen frei entscheiden, wie wir das Leben mit unseren Kindern gestalten. Wir können uns Meinungen anhören, sollten diese aber nicht als das Maß der Dinge nehmen, sondern für uns prüfen ob es sich so für uns als Eltern und Familie gut und richtig anfühlt.

Die bisher genannten Themen, sind wie Du vielleicht herausliest, gar nicht die Fakten oder Hauptthemen, von denen Du ggf. zu Beginn ausgegangen bist. Doch für uns hat sich in den letzen zwei Jahren gezeigt, dass diese teilweise fast mehr Raum einnehmen, als die offensichtlichen Themen. Selbstverständlich reden wir auch über diese, die werdende Zwillings- und Mehrlingseltern natürlich beschäftigen:

Formen der Zwillingsschwangerschaft

Von einigen oder zweieiigen Zwillingen, von mono-mono (eine Plazenta und eine Fruchthöhle), mono-di (eine Plazenta und zwei Fruchthöhlen) oder di-di (zwei Plazenten und zwei Fruchthöhlen), es gibt verschiedenste Varianten und  je nach Konstellation,  spezielle medizinische Aspekte und Verläufe der Schwangerschaft, auf die die Eltern vorbereitet werden können.

Lage der Zwillinge/Geburtsvarianten

Auch die Positionen der Kinder, beide in Schädellage, eines in Schädellage und eines in Beckenendlage, beide in Beckenendlage, bringen Fragen nach möglich Geburtsvarianten mit sich. Ist eine natürliche Geburt möglich? Kann ein Kind natürlich und das andere per Kaiserschnitt geboren werden? Können Zwillinge in Beckenendlage natürlich geboren werden? Ist eine Hausgeburt oder Geburt im Geburtshaus in Deutschland möglich? …

Neugeborene Zwillinge

Von Frühchen und Kinderstationen, der Babyernährung von Flaschennahrung bis Stillen, von Tandemstillen über nacheinander Stillen, von Bindungsaufbau, die Eigenheiten des Wochenbettes, die Selbstfürsorge, die Rolle des Vaters, das Synchronisieren…das Leben mit Neugeborenen ist eine eigene Welt, gerade die ersten Wochen das Leben in einer Blase, wo es vieles zu besprechen gibt, um eine Ahnung davon zu bekommen, was auf die werdenden Eltern zukommen kann.

Ausstattung

Selbstverständlich reden wir auch über nützliche und hilfreiche Erstausstattung. Von Zwillingskinderwagen über Tragemöglichkeiten, Zwillingsstillkissen versus „normalen“ Stillkissen, Schlafmöglichkeiten (getrennt oder zusammen), uvm.

Wenn Du dies nun alles gelesen hast, hoffen wir, dass es für Dich jetzt auch deutlich wird warum ein spezieller Zwillingsgeburtsvorbereitungskurs Sinn machen kann und falls nicht, ist dies auch vollkommen in Ordnung. Leider gibt es in Deutschland noch viel zu wenig Angebot dieser Art, aber vielleicht bringt Dich unser Artikel dazu, dass Du Dich in Deiner Gegend einmal dazu umhörst.

Wir würden uns wünschen, dass dies allen werdenden Zwillings- und Mehrlingseltern zugängig gemacht werden kann und unser Artikel für die speziellen Aspekte sensibilisert. Dir wünschen wir eine entspannte Zwillingsschwangerschaft!

Neu ab April 2021: Geburtsvorbereitung für Zwillinge online zum Streamen! Informationen und Anmeldung unter hebammenblog.de