In unserem Blogbeitrag „Über das Stillen von Zwillingen“ haben wir Zwillingsmütter dazu aufgerufen ihre Stillgeschichte mit uns und Euch zu teilen. Wir wünschen uns, dass dies dazu beiträgt zu zeigen, dass Stillen von Zwillingen möglich ist, in all seinen Facetten. Zwillinge oder Mehrlinge zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass diese nicht voll- oder teilweise gestillt werden können, wenn die Mutter es möchte.
Wir möchten mit dieser Blogserie
- Mütter ermutigen es zu versuchen
- bestärken, dass in den meisten Fällen mit Unterstützung und Information der Wunsch zu stillen, umgesetzt werden kann
- Familien und Fachpersonal auf die Wichtigkeit der wohlwollenden Information und Unterstützung hinweisen
- keinesfalls Mütter, die sich aus persönlichen Gründen gegen das Stillen entscheiden oder körperlich dazu nicht in der Lage sind, verurteilen
Wir denken es braucht mehr Vorbilder, um die Natürlichkeit des Stillens von Zwillingen wieder präsenter, selbstverständlicher in unsere Gesellschaft zu machen. Wir danken allen Müttern, die Ihre Geschichte hier teilen von Herzen für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen ♥.
Lisa´s Zwillingsstillgeschichte
Lisa Harmann vom Blog Stadt Land Mama hat 2008 eineiige Zwillingsjungs bekommen. Ihre Tochter war da zwei Jahre und zwei Monate alt.
Wie war Euer Stillstart und wurdest Du bei Deinem Stillwunsch von Deiner Familie und Freunde, der Hebamme, dem Krankenhaus, etc. unterstützt und wenn ja wie?
Ich war in der glücklichen Lage, dass ich schon einmal an einem „Einling“ das Stillen üben konnte. Zwei Jahre vor der Zwillingsgeburt hatte ich schon eine Tochter bekommen und deswegen wusste ich bei der Zwillingsgeburt schon recht genau, was ich wollte – und was nicht. Nachdem es beim ersten Kind zum Teil recht schmerzhaft war zu Beginn, habe ich bei den Zwillingen gleich gesagt, dass ich sie mit erst einmal mit Stillhütchen stillen werde. Man sagte mir, ich solle das nicht länger als eine oder zwei Wochen tun, das war mir aber egal. Ich hatte keine Lust auf wunde Brustwarzen und hatte auch keine Sorge um Stillirritationen. Der Start verlief damit dann auch einwandfrei. Ich habe die beiden in einem von der WHO zertifizierten Babyfreundliches Krankenhaus in Berlin bekommen, dort wurde ich unglaublich gut motiviert. Die Schwestern auf der Wöchnerinnenstation waren allesamt gut gelaunt, was für mich sehr wichtig war in dieser Ausnahmesituation. Immer wieder kam jemand rein und sagte: „Mensch, Sie sind aber ein Naturtalent“. Oder: „Darf ich Ihnen noch mehr zu trinken bringen?“ Das war unglaublich schön und das hatte ich nach der ersten Geburt in einem anderen Krankenhaus ganz anders erlebt. Deswegen wusste ich das auch schon in diesem Moment so sehr zu schätzen. Es gab dann auch tatsächlich überhaupt keine Probleme mit der Stillerei. Nach etwa vier Monaten ließ ich die Stillhütchen dann übrigens komplett weg und auch das funktionierte wunderbar.
Hast Du Deine Zwillinge parallel oder nacheinander gestillt? Und welche Herausforderungen hattet Ihr damit?
Tatsächlich hatte ich mich vor der Geburt auch gefragt, wie das bitteschön gehen soll – zwei Kinder stillen. Aber wenn die Situation dann da ist, geht das ja dann doch alles irgendwie instinktiv. Ich habe die beiden Kerlchen nach Bedarf gestillt und deswegen eben mal einzeln und mal gemeinsam. Wenn ich beide auf dem Stillkissen liegen hatte (das war übrigens ein extra Zwillingsstillkissen, kann ich sehr empfehlen), dann wusste unsere Zweijährige genau, dass ich nicht aufstehen kann – und malte die Wände an oder machte Blödsinn. Das war im Grunde die größte Herausforderung. Na und, dass ich im Grunde eigentlich immer irgendwen bei mir ernährte, dadurch blieb natürlich viel Haushalt liegen. Das war mir in dem Moment aber ehrlich gesagt ziemlich egal, das Ernähren der Kinder war in dem Moment einfach viel wichtiger. Na gut, und die Nächte waren auch eine Herausforderung, weil eigentlich permanent jemand trank. Wir haben die beiden einfach gemeinsam in ein Kinderbett gelegt, in dem wir eine Seite zu meinem Bett hin öffnen konnten. Wer Hunger hatte, den zog ich einfach im Schlaf an mich ran und dann konnte ich weiterschlafen.
Wann warst Du das erste Mal mit den Zwillingen unterwegs und hast Du in der Öffentlichkeit gestillt? Wenn ja, wie bist Du das praktisch angegangen?
Ehrlich gesagt relativ früh, denn unsere Große musste ja auch in die Kita und mein Mann hatte nur eine teilweise Elternzeit, musste also tageweise immer mal wieder weg. Ich habe auf vielen Parkbänken und auf vielen Spielplätzen und vor vielen Eisdielen gesessen und gestillt. Ich erinnere mich noch an eine Situation, da hatte ich mir ein Baby umgebunden, eines in den Zwillingswagen gelegt und die Große dazu gesetzt, da begannen auf dem Weg von der Kita nach Hause alle Drei gleichzeitig zu schreien. Ein Passant schaute mich ganz mitleidig an und fragte, ob er helfen könne. Ich fand das sooo süß. Ich hab mich dann einfach hingesetzt und einen nach dem anderen beruhigt. Kurze Wege konnten schon mal sehr lang dauern 😉
Wie lange hast Du Deine Zwillinge gestillt? Konntest Du vollstillen /pumpstillen oder musstest/ wolltest Du teilweise zufüttern?
Insgesamt habe ich die beiden 16 Monate lang gestillt, davon die ersten sechs Monate voll. Mein erstes Kind hatte ich nach sechs Monaten abgestillt, bei den Zwillingen gestaltete sich das schwieriger, weil sie zwischen ihrem sechsten und 18. Lebensmonat fünfmal stationär ins Krankenhaus mussten und ich dann das Stillen auch ganz wunderbar als Trost für sie nutzen konnte. Und für mich vielleicht auch ein bisschen… es war nie etwas Schlimmes, aber das hat uns alle schon extrem geschlaucht, deswegen hat sich das Abstillen immer wieder nach hinten verschoben – was aber für uns alle irgendwie einfach das Richtige war.
Abgepumpt habe ich in dieser Zeit kein einziges Mal. Beim ersten Kind hatte man mich im Krankenhaus dazu verdonnert, mich in einem Stillraum an so eine Maschine zu setzen und ich weiß nicht, ob ich mich jemals so entwürdigt gefühlt habe. Zu Hause hatte ich dann auch ein paar Mal versucht abzupumpen, damit auch mein Mann mal Milch geben konnte, aber das funktionierte einfach nicht. Ich hab für ganz wenig so lang gebraucht und hab mich so unwohl damit gefühlt, dass ich mir irgendwann schwor: Nie wieder, das ist einfach nichts für mich. Und bei den Zwillingen war es dann auch zum Glück nie nötig.
Was war/ ist für Dich für das Stillen unverzichtbar?
Man braucht Zeit und Wasser zum Stillen. Wasser in der ganzen Wohnung verteilt, um immerzu und an jedem Ort trinken zu können. Ich hab mir auch manchmal Bücher oder Zeitschriften zum Lesen dazugelegt – ich hatte damals, 2008, nämlich noch nicht mal ein internetfähiges Handy. Unglaublich heute. Geholfen hat mir, dass ich vorher schon Übung hatte und dass ich so motivierende Begleiter an der Seite hatte. Ich fand es auch einfach praktisch, nicht andauernd Fläschchen zubereiten und desinfizieren zu müssen und immerzu füttern zu können, wenn es den Kindern danach war. Geholfen oder bestärkt hat mich auch das Buch „Zwillinge stillen“ von Susanne Wittmair.
Was hättest Du gerne vorab zum Thema Zwillinge stillen gewusst und möchtest Du werdenden Zwillingseltern gerne Bestärkendes bzw. Wissenswertes mitgeben?
Wie gesagt, ich wusste vorab, dass ich von Anfang an Stillhütchen will, um möglichen Entzündungen vorzubeugen. Ich wusste, dass sich der Milcheinschuss anfühlt, als wären Ziegelsteine in die Oberweite eingezogen. Ich wusste aber auch: Ich kann ein Kind ernähren. Das hat mir Mut gemacht. Zu wissen, ich schaffe das. Und wenn ich eins schaffe, dann schaffe ich auch zwei. Ich fand das Stillen insofern praktisch, als dass ich immer alles dabei hatte – und das auch noch in der richtigen Temperatur. Egal ob auf dem Kitafest, im öffentlichen Nahverkehr oder auf dem Spielplatz. Außerdem konnte ich über die Körpernähe sehr guten Kontakt zu meinen Kindern aufnehmen, konnte sie trösten und hatte eben auch mal exklusive Momente mit jedem einzelnen Kind. Das kommt ja bei Mehrlingen oft zu kurz.
Bestärken kann ich da nicht, ich halte es nicht für die einzig wahre Lösung, nur weil es bei mir gut funktioniert hat. Wenn es nicht geht und zu anstrengend wird, dann gibt es zum Glück ja auch andere Optionen. Und da sollten wir ganz unideologisch rangehen und jede Frau ihren eigenen Weg gehen lassen. Mein Spruch mit den drei Kindern innerhalb von zwei Jahren war immer: Hauptsache überleben!
Ich glaube, dieser Spruch hat uns oft gerettet, weil er die Prioritäten so schön zurecht rückt. Alles andere ist in so einer Phase nämlich nebensächlich. Also macht, was machbar ist und euch am Ende das Leben in irgendeiner Weise erleichtert.
Was möchtest Du gerne dem Fachpersonal (Gynäkologe, Hebamme, Kinderarzt, Stillberaterin, Mütterpflegerin etc.) rund um die Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit im Interesse werdender Zwillingseltern mit auf den Weg geben?
Oh, da fällt mir vieles ein. Nehmt die Mütter ernst, in dem, was sie sich wünschen und in dem, was sie zu sagen haben. Beim ersten Kind wusste ich leider nicht, wie anspruchsvoll Stillen auch sein kann. Die eine Schwester erzählte mir, ich solle nicht im Liegen stillen, die andere sagte, ich solle nur im Stillzimmer stillen, wieder andere sagten, ich solle das Kind dauernd wecken. Alle sagten etwas anderes, am Ende tat mir alles weh, das Kind schrie und alle waren überfordert.
Erst als ich zu Hause war und in Ruhe ausprobieren konnte, was sich denn für mich richtig anfühlt, wurde alles besser. Beim nächsten Mal war ich in einer anderen Klinik und wurde motiviert. Nicht einmal hatte ich Probleme oder Schmerzen, die Psyche ist da einfach nicht zu unterschätzen. Eine freundliche Ansprache, ein Auf-Augenhöhe-Begegnen, ein Nicht-unter-Druck-setzen – das ist es, was Frauen in dieser emotionalen Ausnahmesituation brauchen.
Kein „Du machst das ja schon wieder alles falsch, dein Kind verhungert noch“ von der Schwester. Und auch kein „Ich füttere dem Kind jetzt heimlich im Babyzimmer mal ein bisschen Premilch, damit es mal satt wird.“ Solche Dinge passieren tatsächlich immer noch. Hoffentlich Ausnahmen, das darf nämlich nicht sein.
Wir brauchen Respekt und Anerkennung. Denn was kaum einer ahnt: Stillen ist ein Marathon. Stillen kann schmerzhaft sein. Stillen erfordert Durchhaltevermögen. Und Stillen fordert von bis dahin unabhängigen Frauen einiges ab, denn niemand kann sie ersetzen. Sie sind die einzigen, die das Kind ernähren können. Da lastet ein großer Druck und eine Verantwortung auf ihnen.
Sie bekommen zeitweise wenig Schlaf, weil sie die einzigen sind, die nachts einspringen können. Sie verzichten auf blähendes Essen und das leckere Weinchen am Abend, während der Partner ebenso ein Kind bekommen hat, aber nicht verzichten muss. Das kann zu Neid führen. All das sollte mitgedacht werden im Umgang mit Stillenden. Sie sind Königinnen. Und so sollten sie auch behandelt werden.
Danke für diese tollen Antworten!
Wer mehr über Zwillinge von Lisa lesen möchte, hier sind einige tolle Artikel von Ihr zum Thema Zwillinge:
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