Das erste Mal haben wir über das Vaginal Seeding bei einer Veranstaltung erfahren. Ein Verfahren, welches zum Beispiel in den USA routinemäßig bei kaiserschnittentbundenen Babys angewendet wird. Da dies in Deutschland nun immer mehr Thema wird, möchten wir Euch heute die Hintergründe dafür, grundlegende Informationen und einen Erfahrungsbericht einer Zwillingsmutter vorstellen.

Was sind die Hintergründe?

Kinder, die auf natürlichem Weg geboren werden, passieren den Geburtskanal der Mutter und kommen so mit der mütterlichen, vaginalen Keimflora in Kontakt. Diese Bakterien legen sich, wie ein Film, auf die Haut und Schleimhäute des Babys. Es wird davon ausgegangen, dass dies das Immunsystem der Babys stärkt. Erwiesenermaßen ist bei kaiserschnittentbundenen Babys die Keimflora eine andere und vorrangig mit Hautbakterien besiedelt. Es stellt sich für das Fachpersonal die Frage, welche Auswirkungen dies auf die kindliche Gesundheit hat. Ein ähnlicher Effekt wie beim Stillen versus Flaschennahrung: Durch das Stillen werden die muttereigenen Antikörper und bakterielle Flora an die Babys weitergegeben und das Immunsystem aufgebaut, wohingegen bei Fertignahrung vorrangig mütterliche Hautkeime auf das Kind übergehen können.

Bekannt ist, dass kaiserschnittentbundene Kinder ein höheres Risiko für z.B. Allergien, Diabetes oder auch Asthma haben oder wie bereits zum Thema Kaiserschnittmassage bei uns im Blog berichtet, fein- bzw. grobmotorische Herausforderungen haben können, da sie den Geburtskanal nicht passieren. Inwieweit dies auf die vaginale Keimflora zurückzuführen ist, ist noch nicht ausreichend erforscht. Da die Kaiserschnittraten hierzulande ständig steigen, könnte das Vaginal Seeding eine Möglichkeit bieten, die Kinder genau so gut „auszustatten“, wie die natürlich geborenen.

Wie wird das Vaginal Seeding oder eine vaginale Impfung der Neugeborenen nach Kaiserschnitt durchgeführt?

Vor der Geburt wird der Mutter mittels Mull oder Tupfer Scheidensekret entnommen und während der Operation in einem sterilen Behältnis aufbewahrt. Sobald das Baby geboren ist, wird dieses mit mit dem getränkten Tupfer bzw. Mull im Gesicht oder dem Mund eingerieben. In einer Pilotstudie in den USA konnte gezeigt werden, dass sich die Keimflora der behandelten Kinder verändert hatte und mehr dem von auf natürlichem Wege geborenen Babys ähnelte. Langzeitauswirkungen sind derzeit nicht bekannt und werden aktuell z.B. in einer deutschen Studie mit 120 Neugeborenen von Professor Dr. Frank Louwen, Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, untersucht.

Welche Bedenken gibt es?

Neben gesunden Mikroorganismen können in der Vagina auch krankheitserregende Mikroorganismen vorhanden sein. Diese können durch das Vaginal Seeding auf das Baby übertragen werden, weshalb viele Kliniken bisher von der Behandlung absehen. Allerdings wäre eine Übertragung dieser Keime ebenfalls bei einer natürlichen Geburt gegeben. Aufgrund dessen wird in Deutschland bei den Vorsorgeuntersuchungenbereits geprüft obz.B B-Streptokokken vorhanden sind. Ein Test auf andere Erreger, wie Chlamydien oder Herpesviren, kann ebenfalls durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass werdende Mütter für die Vaginal Seeding in Betracht kommt, diese Tests vorab beanspruchen können, um Sicherheit zu gewinnen.

Erfahrung mit dem Vaginal Seeding hat auch Sabine, eine Zwillingsmama aus Frankfurt gemacht und wir freuen uns Euch Ihre Erfahrungen berichten zu können.

Wie hast Du vom Vaginal Seeding erfahren und was waren die Auslöser für Dich, Dich dafür zu entscheiden?

Das erste Mal habe ich 2012 bei einem Vortrag davon gehört. Es ging um das Immunsystem und den Darm. Der Referent hat erzählt, dass Hebammen früher bei einem KS oder bei einer sehr schnellen Geburt mit ihrem Finger Vaginalsekret aus der Scheide genommen und dem Neugeborenen verabreicht haben.

Während meiner Zwillingsschwangerschaft setzte ich mich auch mit dem Thema KS auseinander. Falls es dazu kommen sollte, wollte ich bestmöglich darauf vorbereitet sein. Passend dazu erschien im Februar 2016 auf Spiegel.de ein Artikel ( http://m.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/a-1079264.html) und ab da stand für mich fest, wenn es zum KS kommt, dann möchte ich auch ein vaginales Seeding.
Hattest Du auch Bedenken?

Nein, gar keine. Bei einer natürlichen Geburt kommt das Baby mit den gleichen Keimen in Berührung, warum sollte es dann schaden.
In Deutschland wird Vaginal Seeding nicht routinemäßig bei einem Kaiserschnitt angewendet, wie hat das Krankenhaus auf Deine Anfrage reagiert? Gab es Bedenken?

Bei der Aufklärung zum KS, die einige Tage vor der OP durchgeführt wurde, sagte ich der Ärztin, dass ich gerne ein Vaginal Seeding durchführen möchte und ihre Reaktion war durchwegs positiv. Sie war sehr überrascht, dass ich so gut informiert bin und vermerkte es in meiner Akte.
Wie war dann der Ablauf? Hat das OP-Team die praktische Durchführung übernommen oder Du?

Die Hebamme hat mich für die OP vorbereitet und mir den Ablauf des Seedings erklärt. Ich habe es mir wesentlich spektakulärer vorgestellt.

Die Hebamme legte mir zwei Tupfer in der Größe einer Murmel in die Scheide. Kurz bevor ich in den OP geschoben wurde, hat sie den Tupfer wieder entfernt und in einer kleinen Plastikdose aufbewahrt. Einen Tupfer hab ich leider auf Toilette verloren.

Als dann die Babys geboren waren und auf meiner Brust lagen, hat ihnen dann die Hebamme noch im OP den Mund mit dem Tupfer ausgewischt. Da ich einen verloren hatte, mussten sich die Babys einen Tupfer teilen, was aber kein Problem war.

Welche Tipps würdest Du anderen Müttern, die sich dies auch wünschen, mit auf den Weg geben?

Leider ist dieses Verfahren noch kein Standard beim KS. Deshalb sollte die werdende Mutter selbst danach fragen und nicht darauf vertrauen, dass die Klinik das anbietet. Sollte sich die Klinik wirklich quer stellen und das Vaginal Seeding ablehnen, dann kann sie es auch selbst durchführen. Sie sollte sich dafür zwei Tupfer und eine kleine Plastikdose mitbringen. In der Regel dauert die Vorbereitung für den KS, in der Zeit kann sie oder ihr Partner den Tupfer in die Scheide einführen. Sobald sie mit ihrem Baby im Kreissaal ist, kann sie oder ihr Partner dem Baby damit den Mund auswischen.

Lieben Dank für Deine Erfahrungen.

Nun sind wir gespannt auf Eure Meinung. Wäre das Vaginal Seeding für Euch eine Überlegung wert? Habt ihr es sogar bei euren Kindern durchführen lassen? Oder ist diese Behandlung für Euch vollkommen ausgeschlossen und warum?