Es soll ja Menschen geben die meinen, dass Schwangerschaft einer Krankheit oder gar Behinderung gleichgesetzt ist, dass die Schwangere auf Grund ihrer Hormone nicht voll zurechnungsfähig ist…
Aus eigener Erfahrung weiß ich (Inga) natürlich, dass es gute und schlechte Tage gibt an denen der Hormonspiegel einen völlig verrückt macht und man seine Gedanken nicht zusammen halten kann. Ich bin jedoch der Meinung in fast allen Momenten voll zurechnungsfähig gewesen zu sein, wenn wir die Vorwehen, Wehen, Geburt, etc. mal aus dem Auge lassen. Und obwohl die Schwangerschaft nicht optimal verlief, hatte ich doch nie das Gefühl „krank“ zu sein.
Neulich wurde mir zu diesem Thema von einer Juristin berichtet, dass es einige kuriose Rechtssprechungen diesbezüglich gibt. Na das wollten wir doch einmal genau wissen und haben recherchiert. Das Ergebnis seht ihr hier:
Parken auf dem Behindertenparkplatz (Bayerischer-Verwaltungsgerichtshof_10-ZB-091052)
Eine Hochschwangere ist nicht mehr so gut bei Fuße, möchte einen Arzttermin wahrnehmen und parkt auf einem Behindertenparkplatz. Zur Kenntlichmachung Ihrer Situation legt sie den Mutterpass deutlich sichtbar auf die Ablage und geht zu Ihrem Termin. Als Sie wieder kommt ist ihr Fahrzeug von der Polizei abgeschleppt worden. Zudem soll sie die Abschleppkosten von 170€ tragen.
Vor Gericht argumentierte die schwangere Frau, dass sie auf Grund der Schwangerschaft gehbehindert gewesen sei. Das Münchner Gericht wies dies ab, da für das Parken auf Behindertenparkplätzen ein Behindertenausweis notwendig ist und laut Definition eine Behinderung schwere und langfristige Beeinträchtigung beinhaltet. Die Kosten von 170€ muss die Klägerin ebenfalls zahlen, da die Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz abgewiesen wurde.
Augen-Auf-Beim-Hosen-Kauf: Zusage Nichtrutschen einer Schwangerschaftshose (Amtsgericht München 155 C 16176/11)
Im neunten Monat kauft eine Schwangere eine Schwangerschaftshose für 119 € und zog sie nach drei Wochen das erste Mal an. Und – hoppla – die Hose rutschte trotz Tunnelzug herunter. Daraufhin ging sie in das Geschäft und beschwerte sich, da ihr zugesagt worden sei, dass die Hose nicht rutscht. Dies wies die Inhaberin ab und der Fall landete vor Gericht.
Der Richter gab der Verkäuferin Recht, da auf Grund der anatomischen Besonderheiten jeder schwangeren Frau ein Nichtrutschen nicht erwartet werden darf. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass ihr eine Anti-Rutsch-Garantie gegeben wurde, daher wurde ihrer Klage nicht Recht gegeben.
Und nun zum Thema werdende Väter: Kein Fahrverbot für werdende Väter (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az: 2 Ss 33/01)
Aus Sorge um seine schwangere Frau, die im sechsten Monat plötzlich Wehen bekam, fuhr der werdende Vater rasant nach Hause. Dabei wurde er außerhalb von geschlossenen Ortschaften mit 122 km/h geblitzt, wobei 80 km/h erlaubt waren. Das zuständige Amtsgericht verhängte daraufhin eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob diesen Rechtsspruch wieder auf, da der Verstoß unter milderem Licht zu betrachten sei. Der Richter vertrat die Ansicht, dass aufgrund der Notsituation von dem Fahrverbot ausnahmsweise abzusehen sei.
Zum Ende eine Eingriff in das Persönlichkeitsrecht: Gehsteigberatung für Schwangere (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 1 S 915/11)
Vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle sprach ein privater, gemeinnütziger Verein schwangere Frauen an u.a. mit Sprüchen wie: „Mama, bitte lass dein Kind leben“, drückte den betroffenen Frauen ungefragt Informationsmaterial und Bilder von Föten und Teilen von Föten und Ungeborenen in die Hände.
Das Gericht befand dies als Verletzung des Persönlichkeitsrechts und verbot die Gehsteigberatung. Die Angeklagten verwiesen daraufhin auf ihre Meinungsfreiheit. Dem gab das Gericht keinen Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht der Schwangeren und wies damit das Argument des Vereins ab.
Zum Schluss möchten wir Euch noch auf einige Urteile verweisen, die für Euch in der Praxis durchaus hilfreich sein können:
Kündigung des Fitnessvertrags (Bundesgerichtshof XII ZR 42/10)
Schwangere Frauen haben das Recht auf eine außerordentliche Kündigung ihres Fitnessvertrages. Sie sind nicht verpflichtet ein Attest vorzulegen indem die „Krankheit“ benannt ist. Weiterhin entschied das BGH, dass auch die Stilllegung des Vertrages nicht akzeptiert werden muss.
Reiserücktrittsversicherung (Amtsgericht München 224-C-3236511)
Bei Rücktritt von einer gebuchten Reise, muss aufgrund von unerwartet schweren Erkrankungen in der Schwangerschaft die Versicherung die vollen Stornierungskosten erstatten.
„Eine Schwangerschaft sei keine Krankheit, aber Komplikationen in der Schwangerschaft eine unerwartet schwere Erkrankung.“
Verschweigen der Schwangerschaft vor dem Arbeitgeber (Landesarbeitsgericht Köln 6 Sa 641/12)
Die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft durch den zukünftigen Arbeitgeber ist grundsätzlich eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes. Eine Schwangere braucht dies nicht offenzulegen. Dies gilt auch für befristete Arbeitsverträge.
Solltet Ihr noch weitere Rechtssprechungen oder rechtliche Besonderheite kennen, meldet Euch gerne und wir ergänzen sie.
Liebe Grüße Inga und Ulrike
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