Neulich hatte ich eine Freundin zu Besuch, die fast vom Stuhl gefallen ist, als sie sah, dass meine 4 jährige Tochter ganz selbstverständlich mit einem scharfen Messer hantiert. Als ich ihr erzählte, dass sie auch alleine Nudeln kochen darf, fragte sie mich etwas irritiert: Und du machst Kindersicherheitsworkshops?
Da wurde mir klar. Das Thema Kindersicherheit bedeutet für viele vor Allem vor Gefahren beschützen. Aber so ganz stimmt das nicht. Es bedeutet vor Gefahren beschützen, die unsere Kinder nicht selbst bewältigen können und es bedeutet mit Gefahren verantwortungsbewusst und achtsam umgehen, wenn die Kompetenzen des Kindes dies zulassen. So können kleine einjährige Kinder nicht voll einschätzen, wie scharf und gefährlich Messer sein könne, aber 4-jähige Kinder können das schon eher. Wir müssen also auch in Sachen Gefahren mit unseren Kindern wachsen und gleichzeitg von unseren Ängsten und dem Bedürfnis sie vor Allem Übel der Welt beschützen zu wollen loslassen. Lasst uns also unsere Kinder genau anschauen und überlegen worin sie stark sind und ob unser Bedürfnis, sie zu beschützen sie absichert oder sie am wachsen hindert. Dieser selbstkritische Blick auf uns und unsere Kinder ist enorm wichtig, denn wenn ihnen nicht vertrauen und sie nicht bestärken über sich hinaus zu wachsen, wie sollen unsere Kinder es können? Es gibt einige kleine aber feine Rahmenbedingungen, die uns helfen können, den Kleinen zu helfen, selbstbewusst und trotzdem behutsam mit Alltagsgefahren umzugehen.
1. Mach es richtig vor
Da wird das Messer abgeleckt, der Klodeckel bleibt hochgeklappt, und die Schere wird auch waghalsig übereicht. Klar, wir wissen, dass nicht sofort die Welt untergeht, wenn wir dies tun Aber bei unserem Nachwuchs wird penibel drauf geachtet, dass alles nach sicher und nach Vorschrift passiert. Anstatt noch 10 weitere „Nein!“ und „Lass das“ in unseren Alltag einzubauen, ist es auch in Sachen Gefahrenumgang so, dass ein gutes Vorbild die beste Wirkung zeigt. Schaut also immer zuerst auf Euch und Euren Umgang mit Gefahren, bevor ihr den Kleinen den Umgang beibringen möchtet
2. Schaffe eine kinderfreundliche Umgebung
Damit meine ich jetzt nicht, dass ihr alle Ecken in Poolnudeln einwickeln und alle Schubladen dreifachverriegeln sollt. Es geht viel mehr darum, dass ihr Alltägliches gut für die Kinder erreichbar macht, damit ihnen der Alltag erleichtert wird. So müssen sie gar nicht erst waghalsige Manöver eingehen, um an das Waschbecken, den Kleiderschrank, das Bett oder den Tisch zu kommen. All die Dinge, die sie täglich brauchen, verwenden und frequentieren sollten nicht nur kindersicher, sondern vor Allem kinderfreundlich gemacht werden. Bei uns zuhause gibt es deswegen viele Hocker, Tritte und einen mobilen Lernturm. Man kann sich ganz gut am Montessouriansatz orientieren. Eine große Inspiration ist z.B. der Blog Die Eltern vom Mars
3. Lerne Euren individuellen Gefahrenschatz kennen und Priorisiere
Nicht alles ist für jeden gefährlich. Jedes Alter und jedes Kind hat einen anderen Gefahrschatz, den er sozusagen mit sich herum trägt. Während dieser am Anfang noch sehr ähnlich aussieht (zb das Runterrollen vom Wickeltisch), kann sich das Gefahrenprofil schnell individuell, je nach Kind und Umfeld, ändern. Bei dem einen sind es die Kellertreppen, beim anderen der Kamin. Das eine Kind liebt es, überall rauf zu klettern, während das nächste eine große Leidenschaft für Toiletten und Mülleimer (-inhalte) entwickelt. Deswegen muss auch hier im individuellen Fall entschieden werden, wie notwendig (neben der Grundausstattung an Steckdosenschutz und dem Wegsperren von Putzmitteln etc.) individuellen Maßnahmen sind und ob bestimmte Dinge besonders intensiv geübt werden müssen (wie zb das Treppensteigen)
4. Redet darüber – von Anfang an
Redet mit euren Kindern über die Gefahren, was ihr tut und warum bestimmte Dinge „heiß“ und „Aua“ sind. Das könnt ihr schon von Anfang machen, denn auch wenn vielleicht nicht gleich alles verstanden wird, so wird auch hier vieles nachgeahmt und in einen Gefahr-Zusammenhang gebracht. Hierzu zählen Dinge, wie pusten, Dinge schließen, langsam machen, besonders vorsichtig sein etc.
5. Lasst sie machen, aber seid in der Nähe
Wir kennen sie alle und bestimmt waren wir sie auch das ein oder andere Mal. Die Eltern, die ihren Kindern munter das Klettergerüst nachsteigen und damit den dicken Stau vor der Rutsche verursachen. Manchmal ist das sicher nötig, aber in 90 % der Fälle eben nicht. Vor allem Spielplätze sind Orte, an denen Kinder ihre eigenen Grenzen sicher testen und überschreiten können. So kommen sie normalerweise überall wieder runter, wo sie alleine hochgekommen sind. Oder sie merken, dass es nicht schlimm ist, wenn sie rückwärts von der Rutsche runterdüsen oder eben auch mal vom Wackelpferd fallen. Wir sollen ihre Rückversicherung, aber nicht ihr Rückhalterung sein. Seid da, lasst sie probieren, tröstet, wenn sie hinfallen und seid stolz wenn sie Neues lernen.
6. Üben, üben, üben
Wie haben wir gelernt, wie man ein Brot schmiert, sich den Po abwischt, die Treppe hoch und runter kommt oder Kerzen auspustet? Indem wir es geübt haben. Immer wieder. Das ging ein paar Mal schief, aber dann haben wir es weiter probiert unter ermutigender Anleitung der Eltern, Großeltern, Geschwister. Denkt an das kleine Kind in Euch und übt geduldig bestimmte Abläufe. Immer wieder. Nur so werden die kleinen Entdecker sicherer.
7. Seid achtsam und bleibt bei einer Sache
Neulich habe ich versucht zu kochen, während ich mit meiner Kollegin noch eine Kundenanfrage abstimmte. Währenddessen hat mein 1 ½ jähriger Sohn versucht den Spinat umzurühren und die Tochter wollte unbedingt Würstchen scheiden. Danach gab es Spinatsauce ohne Würstchen, aber dafür in der ganzen Küche verteilt. So sollte man das also nicht machen. Ich hätte entweder den Sohn oder die Tochter mithelfen lassen (bzw. sie sich abwechseln lassen) und mich auf eine Sache konzentrieren sollen. Denn die meisten Unfälle passieren tatsächlich in Unachtsamkeit. Diese Unachtsamkeit überträgt sich außerdem auch auf das Kind. Zu viel gleichzeit = große Unfallgefahr
8. Achtet auf Eure Sprache
Wie oft sagen wir: Mach das nicht!, pass auf!, halt!, nein!, Achtung!, das kannst du noch nicht, das ist nichts für dich etc pp. ? Und wie oft ist das wirklich notwendig? Müssen wir unsere Kinder bei so vielen Versuchen, Neues zu lernen, zurück halten? Und wirken die Worte dann auch noch genau so gut, wenn wirklich einmal Gefahr lauert? Sucht Euch doch ein paar Alternativen, die ihr den Kindern mitgebt, damit sie die Aufgaben mit Vorsicht und Achtsamkeit angehen. Außerdem sind klare kurze präzise Ansagen wichtig, damit die Botschaft auch bei den Kleinen wirklich ankommt. Das ist in Gefahrensituation besonders wichtig.
9. Folgt Euren Kindern
Sie eigen Euch, wenn sie für neue Abenteuer bereit sind. Wenn sie Stufen erklimmen, Spielplätze erobern und Küchen bewirtschaften möchten. Denn, wenn die Kinder noch nicht für diese neue Herausforderung (körperlich oder auch geistig) bereit sind, wenn ihre mitgebrachten Kompetenzen noch nicht ausreichen, dann ist auch die Unfallgefahr riesengroß. Lass sie also führen und begleitet sie mit Eurer Zuversicht und Vorsicht.
Ich hoffe ihr könnt den einen oder anderen Denkanstoß oder Tipp mitnehmen und entdeckt morgen wieder mit Euren kleinen Abenteurern die Welt. Über weitere Ideen und Tipps freuen wir uns natürlich auch!
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