Es gibt viele Therapieformen bei Blockaden im Körper, angefangen von der Physiotherapie über die Osteopathie. Als wir zum ersten Mal von der craniosacralen Körperarbeit hörten, war uns dies kein Begriff. Gut, dass wir zu diesem Zeitpunkt Insa Höppner kennenlernten, die dies in Berlin Neukölln anbietet und uns mehr zu berichten wußte:

insaportrait

1. Was ist craniosacrale Körperarbeit und wie lässt sie sich für Schwangere, Mütter, Babys und frischgebackene Familien einsetzen?

Die craniosacrale Körperarbeit ist aus der Osteopathie entstanden und hat sich in den letzten Jahren zu einer eigenständigen Form der Körperarbeit weiterentwickelt. Die sanften und sehr behutsamen Berührungen der craniosacralen Körperarbeit haben das Ziel, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Körper und Seele zu schaffen. Auch kann sie unterstützend auf die Lösung von körperlichen und emotionalen Blockaden wirken, was gerade in der Schwangerschaft oder unter der Geburt wichtig ist.

Craniosacrale Körperarbeit dient der Entspannung, der Selbstregulierung und der Gesundheitsförderung. Somit kann sie natürlich für jeden Menschen und in jeder Lebenssituation hilfreich sein – insbesondere aber für Schwangere, junge Mütter und Väter sowie Säuglinge, indem sie diese beim Start eines neuen Lebens unterstützt.

Wie läuft eine Sitzung bei Dir in der Regel ab?

Die meisten meiner Kundinnen und Kunden kommen in meine Praxis “Raum und Bewegung“ in Berlin-Neukölln. In Ausnahmefällen mache ich auch Hausbesuche. Eine Sitzung dauert 90 Minuten und startet immer mit einem kurzen Gespräch. Die eigentliche Körperarbeit beginnt dann damit, dass ich die Klientin oder den Klienten an den Füßen berühre und mich in deren Körper einspüre. Mit sanften Berührungen bestimmter Körperpartien arbeite ich mich über Becken und Bauch bis zum Kopf hoch, und ende wieder an den Füßen. Es folgt eine kurze Nachruhephase von etwa 2-3 Minuten, nach der ich mit den Kundinnen und Kunden darüber spreche, was ich gemacht und gespürt habe.

In der Regel finden Kundinnen und Kunden in einer Sitzung in eine tiefe Entspannung, die ihnen dabei helfen kann, tief sitzende Blockaden zu lösen.

Wie kann craniosacrale Körperarbeit speziell die Schwangerschaft begleiten und welche Rolle kann sie bei der Geburtsvorbereitung spielen?

Ob Übelkeit, Rückenschmerzen, Symphysenschmerz, Angst vor der Geburt – craniosacrale Körperarbeit kann bei sämtlichen Beschwerden in der Schwangerschaft unterstützend wirken. Sie kann den Körper einer Schwangeren darin unterstützen, sich auf die Geburt vorzubereiten, indem sie dazu beitragen kann, innere Spannungen und Blockaden zu lösen, so dass im besten Fall zum Beispiel die Gebärende innerlich leichter loslassen und sich besser öffnen kann, was sehr wichtig für eine entspannte Geburt ist. In der Folge kann sich dann nicht selten auch das Becken oder der Muttermund unter der Geburt leichter öffnen.

Die craniosacrale Körperarbeit kann daher in allen Phasen der Schwangerschaft sowie unter der Geburt einen positiven Beitrag dazu leisten, dass diese möglichst entspannt und komplikationslos ablaufen.

Du betreust ja auch Frauen unter der Geburt. Wie genau läuft das ab und wann wirst Du dazu geholt?

Grundsätzlich kann ich in jeder Phase einer Geburt dazu geholt werden, selbstverständlich immer in Absprache mit den werdenden Eltern. Die Hebammen, mit denen ich zusammenarbeite, rufen mich zu einer Geburt dazu, wenn es zum Beispiel zu einem Geburtsstillstand kommt, weil sich der Muttermund nicht öffnet, oder wenn eine Hebamme das Gefühl hat, dass sich eine Frau nicht richtig auf die Geburt einlassen kann, weil sie emotional blockiert ist oder ihr Kopf nicht frei ist. Und ebenfalls wichtig und nicht zu unterschätzen: Auch die Begleitperson der Gebärenden kann sehr angespannt sein und auf diese Weise Spannung in eine Geburt hineinbringen – auch das kann eine Situation sein, in der eine Hebamme mich anruft und mich bittet, zu einer Geburt dazu zu kommen. Über craniosacrale Körperarbeit kann ich versuchen dazu beizutragen, Ruhe und Entspannung in eine Geburtssituation zu bringen, was einer Gebärenden und ihrer Begleitperson helfen kann, sich emotional und körperlich voll und ganz auf die Geburt einzulassen.

Für welche Babys ist craniosacrale Körperarbeit besonders geeignet und hilfreich?

Zum Beispiel für Säuglinge mit einer traumatischen Geburt – also beispielsweise einer sehr langen oder viel zu schnellen Geburt, einer Geburt per Zange oder Saugglocke oder einem Kaiserschnitt. Einige Babys haben nach einer solchen Geburt zum Beispiel Spannungen im Körper, die sie ohne Unterstützung nur schwer selbst abbauen können. Craniosacrale Körperarbeit kann diese Babys idealerweise darin unterstützen, sich schneller selbst zu regulieren und ein besseres inneres und körperliches Gleichgewicht zu finden, um das Trauma so besser verarbeiten zu können.

Grundsätzlich lasse ich aber in jeder „Kindersitzung“ auch den Eltern Berührung zukommen. Dadurch erlange ich nicht nur schneller das Vertrauen der Kinder. Auch die Eltern können selbst in einen entspannteren emotionalen und körperlichen Zustand finden. Alle zusammen bilden ein familiäres System. Kinder haben ein ganz besonderes Gespür für die Empfindungen ihrer Eltern. Sie können deren (An-)Spannungen aber nur sehr schlecht zuordnen. Das führt bei Kindern häufig dazu, dass auch sie mit Anspannung auf allen Ebenen reagieren. Es ist schwierig für sie, die Stimmung ihrer Eltern richtig einzuordnen (Was ist los mit Mama/Papa? Bin eventuell ich selbst der Grund ihrer/seiner Traurigkeit/Wut/Gereiztheit?). Babys, deren Geburt eher traumatisch ablief, profitieren damit durch vorangegangenes Berühren der Mutter und ggf. auch des Vaters (denen die Geburt ihres Kindes evtl. mindestens noch genauso „in den Knochen steckt“ wie ihrem Baby) fast doppelt. Diese Überlegungen gelten in ähnlicher Form natürlich auch für Frühchen, deren Eltern oftmals monatelang um das Leben ihres Kindes bangen müssen, oder auch sogenannte Schreibabys, deren Eltern von dem ununterbrochenen Schreien ihres Kindes völlig aus ihrer eigenen Mitte gerissen werden und permanent unter Strom stehen.

Doch ganz egal ob Baby mit traumatischer Geburt, Frühchen, Schreibaby oder auch ein Baby, das völlig entspannt geboren wurde und ohne besonderes Anliegen mit seinen Eltern eine Cranio-Sitzung erleben darf, alle können von der Absicht der Cranio profitieren, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Körper und Seele herzustellen.

Du arbeitest auch mit Eltern bzw. Paaren – besonders nach einer so einschneidenden Erfahrung wie der Geburt eines Babys. Wie können frischgebackene Eltern von einer Cranio-Sitzung profitieren?

Eine Geburt ist ein unvergleichliches, sehr intensives Erlebnis. Ein neues, kleines Wesen dann ins Leben zu integrieren, den Alltag neu zu organisieren, Verantwortung zu übernehmen – all das fordert frischgebackenen Eltern viel ab. Alle Familienmitglieder müssen ihre Position innerhalb der Familie neu finden, und natürlich dreht sich vieles erst einmal vor allem um das neue Baby. Dabei besteht das Risiko, dass sich die Elternteile aus den Augen verlieren, nicht mehr kommunizieren oder die Bedürfnisse des anderen nicht mehr ausreichend wahrnehmen. Wenn es zu Differenzen und Spannungen zwischen den Elternteilen kommt, wirkt sich das natürlich auch auf das Kind aus. Studien belegen zudem, dass Kinder nicht gerne der alleinige Fokus ihrer Eltern sind. Sie möchten nicht im Mittelpunkt der Familie stehen, sondern in eine starke Familie integriert, ein Teil dieser werden. Craniosacrale Körperarbeit, bei der es immer auch um die Wahrnehmung und Kommunikation des Ganzen geht, kann Eltern dabei unterstützen, Offenheit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit füreinander zu erzeugen, wenn sie sich aus dem Blick verloren haben. Sie kann Eltern darin unterstützen, sich wieder anzusehen, sich zuzuhören, ein Team zu werden und zu bleiben, und damit dazu beitragen, Familiensysteme in Balance zu bringen und zu halten.

Gibt es noch etwas, was Du werdenden oder frischgebackenen Eltern mit auf den Weg geben willst?

Meiner Erfahrung nach – aus meiner Arbeit, aber auch meiner privaten, denn ich habe selbst zwei Kinder – ist es das Wichtigste, dass sich Eltern in die Augen schauen und sich nicht aus den Augen verlieren. Dass sie offen und ehrlich sind, die Wünsche und Emotionen des jeweils anderen ernst nehmen und sich regelmäßig Auszeiten gönnen. So können Eltern mit sich, aber auch mit dem anderen am besten in Kontakt bleiben. Und das ist ganz wichtig für die Kinder und die Familie insgesamt.

Insa, danke, dass Du uns an Deinem Wissen hast teilhaben lassen, aber vor allem dafür, dass wir die craniosacrale Körperarbeit direkt an uns testen lassen konnten.

Wir können Euch nur sagen: sehr entspannend (die eine oder andere von uns ist direkt eingeschlafen) und erstaunlich was da so alles in uns schlummert und gelöst werden wollte.

Wenn Ihr mehr wissen möchtet, dann schaut doch bei Insa im Raum und Bewegung vorbei oder informiert Euch hier weiterführend. Oder habt Ihr bereits Erfahrung mit der craniosacral Therapie gemacht? Wir sind gespannt auf Eure Eindrücke.

Bildquelle: fotolia ©detailblick, Insa Höppner privat